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20.03.2015, 13:35 Uhr
Lutz Winkelmann: Redebeitrag im Niedersächsischen Landtag zum Thema Wolf
 
Hannover -  Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst war ich die Auffassung, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um in Anbetracht des Antrages, über den wir hier eigentlich debattieren sollten, etwas zur juristischen Dimension zu sagen, also zu der Frage, was es bringt, den Wolf ins Jagdgesetz, nämlich in die Liste der jagdbaren Tiere, aufzunehmen, und - wie es bereits durch den Beitrag des SPD-Kollegen rüberkam - die Frage der Vereinbarkeit der Bejagung des Wolfes mit EU-Recht zu diskutieren. Ich sehe aber, dass die Menschen hier im Saal mehr die emotionale Seite und eben nicht so sehr die juristischen Seite bewegt. Deswegen mache ich mir ganz einfach und verweise für die juristischen Aspekte dieser Thematik zum einen - bitte googeln! - auf Meyer-Ravenstein, unseren landesund bundesweit bekannten Jagdrechtexperten - Niedersächsischer Landtag - 17. Wahlperiode - 57. Plenarsitzung am 18. Februar 2015 5425 „Der Wolf im Jagdrecht“, in verschiedenen Zeitschriften abgedruckt -, und zum anderen auf Professor Reiner Wolf, der in ZUR, Heft 6/2012, ebenfalls zur juristischen Lage vorgetragen hat. Damit komme ich zu der emotionalen Frage, die hier anscheinend dominiert. Es ist schon erstaunlich: In Deutschland und in Niedersachsen gibt es anscheinend niemanden, der zum Wolf keine Auffassung hat. Ich habe es jedenfalls in etlichen Gesprächen nicht erlebt, dass irgendjemand gesagt hätte, er sei sich noch nicht sicher. Die einen sagen: Der Wolf ist ganz wichtig, lasst ihn sich weiterentwickeln - ohne ein Limit zu setzen -, die Jägerschaft ist beuteneidisch und tendenziell böse, die wollen alle Wölfe totschießen. - Die anderen sagen: Der Wolf passt nicht in unsere Kulturlandschaft. Er muss eliminiert werden. Es war ein Fehler, seine Rückkehr zuzulassen. - Diese zweite Extremposition ist, wie ich finde, genauso verkehrt wie die erstgenannte. Herr Janßen, Sie haben den Film „Serengeti darf nicht sterben“ erwähnt. Ich habe auch viele Filme gesehen, genau wie Sie. Mir ist bei der Beschäftigung mit dem Wolf der Film „Der mit dem Wolf tanzt“ in den Sinn gekommen.  Wir erinnern uns: Kevin Costner als versprengter Soldat in der amerikanischen Weite, in wunderbare Bilder eingemalt und mit wunderbarer Musik unterlegt, begründet ein Näheverhältnis mit einem Wolf. Und wir alle haben es als schlimm empfunden bzw. waren empört, als der Wolf nachher von  Soldaten der Us Army totgeschossen wurde. Ähnlich ist es, wenn ich mir Tierdokumentationsfilme im Sinne von „Serengeti darf nicht sterben“ usw. anschaue. Meine Damen und Herren, warum haben wir eigentlich kein Problem damit, bei großen Raubtieren, zu denen der Wolf genauso wie Löwe und Tiger gehört, so emotional zu empfinden? - Weil sie uns nicht nahe, sondern weit weg sind: in Hollywood oder aber in weiter entfernten Gefilden. Ich stamme aus Munster. Auch über meine Hofstelle ist schon ein Wolf gelaufen, ohne dass das irgendjemanden in Gefahr gebracht hätte. Meine Hunde waren zu dem Zeitpunkt im Haus, wo sie hingehören. Auf meinen Feldern hinterlassen Wölfe, die dort entlang laufen, Fährten. Ich komme also aus diesem Wolf-Epizentrum Niedersachsens. Und da wird es dann schon anders. Sie sollten sich einmal anhören, wie die Menschen die Wolfsfrage etwas anders bewerten, nachdem sie engeren Kontakt hatten. Sie mögen jetzt lachen, aber ich sage Ihnen: Kevin Costner war in „Der mit dem Wolf tanzt“ weder Vater von Kindern, die in der Nachbarschaft einen Kindergarten besuchen mussten, noch war er Nutztierhalter, noch war er in irgendeiner Form mit Artenschutz befasst. Der Artenschutzaspekt ist bei den bisherigen Wortbeiträgen nicht aufgeführt worden. Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen eines: Sie können bedrohte Arten zum Teil nur dadurch nachhaltig schützen, dass Sie ein Predatorenmanagement durchführen. Ein Beispiel, lieber Herr Kollege Janßen: In meiner Nachbarschaft gab es den Fall, dass Rinder eines Nachbarn - er heißt Cord Lüders; ich führe Sie gerne dorthin, wenn Sie es wollen -, von einem Wolf gehetzt, durch den Zaun gegangen sind, Gott sei Dank nicht in Richtung der Bundesstraße mit 17 000 Autos am Tag, sondern in die andere Richtung, wo eine umzäunte Weide war. Der Eigentümer kam hinzu und die Situation entspannte sich. In anderen Bereichen werden Mutterkuhherden infrage gestellt. Schafhalter, die feuchte Wiesen beweidet haben, welche wiederum ein Biotop für bodenbrütende Arten waren, haben ihre Hobbyschafhaltung aufgegeben - eben weil der Wolf zurück ist. Dass der Wolf zurückgekehrt ist, ist in Ordnung, aber wir verlieren aufgrund dessen nun einmal bestimmte Biotoparten. Die Frage, mit der wir uns in dieser Debatte beschäftigen müssen - das erwartet die Bevölkerung in weiten Teilen Niedersachsens auch von uns -, lautet: Wollen wir den Wolf nicht nur in den Katalog der bejagbaren Tierarten aufnehmen - in der übrigens Tierarten wie Wisent, Elch, Fischotter oder auch Luchs stehen, der heute schon erwähnt wurde -, oder wollen wir - und an dieser Stelle müssen wir ehrlich sein - ab einem bestimmten Zeitpunkt den Bestand des Wolfes auch limitieren und regulieren? Und da, meine Damen und Herren, hilft der lateinische Satz aus Chemie und Medizin: Sola dosis facit venenum - nur die Dosis macht das Gift. Für mich hat der Wolf eine Ähnlichkeit mit dem radioaktiven Edelgas Radon. Radon wird in der Medizin zum Teil therapeutisch eingesetzt. Das Edelgas Radon wird in geringen Dosen als effiziente Therapie beispielsweise gegen Rheumaerkrankungen eingesetzt. In höherer Dosierung hingegen ist es giftig und gesundheitsschädlich. Wir haben in Deutschland für die unterschiedlichsten Elemente, Stoffe oder Substanzen Grenzwerte diskutiert und Grenzwerte festgelegt, und das zu Recht. Ich frage mich: Brauchen wir auch eine Grenzwertdiskussion für den Wolf? Es geht darum, zu definieren, ab welcher Stufe des Kontaktes oder der gefühlten oder realen Gefährdung von Menschen es notwendig ist, zu sagen, dass es jetzt reicht und dass jetzt gehandelt werden muss. Der Wolf zeigt in unserer Region Niedersachsens kein wildtiertypisches Verhalten mehr. Typisch für Wildtiere ist, dass sie sich dem Menschen nicht ohne Weiteres nähern, sondern im Zweifelsfall nach dem Motto „Der Klügere gibt nach“ zurückweichen. Wir haben in unserer Kulturlandschaft nun aber das Problem, dass der Wolf zum Menschen geht. Und daraus resultieren die Konflikte, zu denen die Bevölkerung von uns schlicht und ergreifend eine Antwort erwartet. Wie ist auf diese Situation zu reagieren? - Bei dieser Regierungsmehrheit ist sicherlich nichts anders zu erwarten, als dass der Antrag der FDP abgelehnt wird - obwohl ich ihn für grundsätzlich richtig halte. Er ist nicht zwingend, aber er ist vertretbar. Ich halte ihn deshalb grundsätzlich für richtig, weil er darauf vorbereitet, dass wir den Sachverstand der in der Fläche vertretenen Jägerschaft weiterentwickeln: unter Einbeziehung der Hegepflicht, der Aus- und Weiterbildung von Jägern und unter Einbindung in ein aktiveres Wolfsmonitoring bei einer zunehmenden Zahl von Wölfen. Aus meiner Sicht, Herr Kollege Janßen, ist der Wolf aus dem Anhang 4 in den Anhang 5 zur FFHRichtlinie zu überführen, damit wir für den Fall, den ich jedenfalls kommen sehe, in der Lage sind, den Wolfsbestand basierend auf einem vernünftigen Bewirtschaftungskonzept, wie für andere Tierarten auch, zu regulieren, damit er in Zukunft in einer Dosis vorkommt, in der wir ihn gesellschaftlich als Bereicherung und nicht als Bedrohung empfinden können. Meine Damen und Herren, wer bei dieser Frage lacht und meint, witzeln zu müssen, der hat den Ernst der Lage nicht erkannt. Dem empfehle ich, sich später bei den Leuten zu entschuldigen, die dann, wenn es dazu kommt, von Wolfsübergriffen betroffen sind - von Wolfsübergriffen, die es in anderen Ländern hinreichend gegeben hat; ich kann das gerne in einem Zweiergespräch erläutern. Übrigens: Der Kindergarten in Wietzendorf ist nicht in die Presse gelangt. Aber natürlich sind auch in Wietzendorf und an anderen Stellen Wölfe beim Waldkindergarten und an ähnlichen Stellen gesehen worden. Kinder müssen unbefangen spielen dürfen. Dazu haben sie ein Recht, und das müssen wir auch beachten.

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